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Das Zwischenmenschliche kommt vor Religion

Stell dir vor, du bringst deine Opfergabe zum Altar und dort fällt dir ein:
„Mein Bruder, meine Schwester hat etwas gegen mich.“
Dann lass deine Opfergabe vor dem Altar liegen. Geh zuerst hin und
versöhne dich mit deinem Bruder oder deiner Schwester. Dann komm
zurück und bring deine Opfergabe dar (Matthäus 5,23f, Basisbibel).

Da war ein Streit, da sind Verletzungen entstanden, da hat man sich kaltgestellt und missachtet gefühlt, da wurde man ungerecht behandelt, da fühlte man sich falsch verstanden oder permanent kritisiert und abgewertet und statt klarem Feedback wurde man mit Ironie überzogen … gefühlt. Doch es kam nie zur klärenden Aussprache. Und nun steht etwas zwischen uns.

„Meine Schwester, mein Bruder hat etwas gegen mich.“ Jesu Ansage gilt auch für die Nachbarschaften, Freundschaften, Partnerschaften oder Belegschaften – und darüber hinaus. Letztlich geht es um die kleinen und großen Konflikte und ihre Bewältigung.

Da platzt Jesu klare Ansage in meinen religiösen und geistlichen Eifer: „Stopp! Das Zwischenmenschliche kommt vor der Religion!“ Bevor du deine Sitzung eröffnest, bevor du in den Gottesdienst oder Hauskreis gehst, bevor du deine Stille Zeit oder Bibellese beginnst: Kläre das Zwischenmenschliche. Sprecht über das, was zwischen Euch steht. Versucht es wenigstens und kehrt nicht alles unter den Teppich.

Da gibt’s einen wunden Punkt … einen Konflikt, alte Verletzungen … da müsste man dringend reden. Vergebung und Versöhnung wären nötig! Gewiss: Was aus dem Gesprächsangebot wird, hat man nicht in der Hand; wird es abgelehnt, ist das schmerzlich. Ob man auf einen Nenner kommt, ist nicht garantiert. Aber vielleicht lässt sich ein neuer Weg des Miteinanders finden, ein Weiterweg? Vielleicht beginnt mit der Aufarbeitung des Konflikts ein Prozess der Aussöhnung?

Jesu Ansage ist klar: Das Zwischenmenschliche kommt vor der Religion. Wenn dir etwas bewusst wird, das zwischen dir und deiner Schwester, deinem Bruder, deinem Mitmenschen steht, dann geh das Thema an.

Jesu Ansage: Lass alles liegen, „geh zuerst hin …!“ Das Zwischenmenschliche geht vor.

Warum ist das wichtig? Weil Versöhnung das Leben nach vorne öffnet und weiterem Unheil vorbeugt. Weil Versöhnung den Weg mit Gott flankiert. Weil allein die Zeit keine Wunden heilt. Dazu braucht es Heilungskräfte. Hingehen ist der erste Schritt. Es könnte so gut tun, sich gemeinsam der heilsamen Gnade Jesu auszusetzen. Denn Versöhnung ist nicht eine christliche Pflicht, sondern Gottes Geschenk, das erlöst. Darum: Lass deine ganzen Pflichten liegen „… geh zuerst hin und versöhne dich …“

Manfred Zoll


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